Es gibt in Südafrika 5 unabhängige lutherische Kirchen - ohne die Herrnhuter (mährische Kirche) mitzuzählen. Diese recht offensichtliche Uneinigkeit der Lutheraner unter einander ist, vor allem für Außenstehende, recht erstaunlich und daher möchte ich hier ein wenig die Gründe für diese Zersplitterung untersuchen. Wie immer, sind alle ausgesprochenen Meinungen allein meine eigenen.
Es gibt zwei Hauptgründe für die Uneinigkeit der südafrikanischen Lutheraner. Beide müssen in ihrem geschichtlichen Kontext verstanden werden. Diese zwei Gründe sind:
Mit diesen zwei Faktoren kann man die Lutherischen Kirchen in Südafrika in folgende 4 Gruppen teilen:
1) Struktur
Einleitend muß ich bemerken, daß dieses eine typisch südafrikanische Entwicklung ist. Getrennte Kirchen sind nebeneinander her entstanden: eine für die Einwanderer und eine für die bekehrten Heiden. Um ihre neu-gewonnenen Gemeinden unter Kontrolle zu halten, gaben die frühen Missionare ihren Gemeinden eine sehr strenge hierarchische Ordnung. Diese Ordnung wurde dann beibehalten als diese neuen "schwarzen" Kirchen unabhängig wurden und ist heute noch in der ungewöhnlich großen Macht der Bischöfe zu finden.
Im Gegensatz dazu waren die Einwanderer von Anfang an auf sich selbst gestellt. Sie gründeten ihre eigenen Gemeinden, bauten sich Kirchen und Schulen und stellten selbst (auch wenn in Absprache mit den Missionsgesellschaften) ihre Pastoren an. Mit der Zeit fanden diese unabhängigen Gemeinden zu Synoden zusammen, die dann später zu Kirchen wurden. In diesen Kirchen liegt immer noch die eigentliche Macht in den Händen der Gemeinden und die Synode als höchstes Organ der Kirche, erarbeitet und stimmt über die Kirchengesetze ab.
Während in der Vergangenheit die Strukturunterschiede parallel liefen zu Unterschieden in Kultur und Rasse, muß gesagt werden, daß das heute nicht mehr der Haupthinderungsgrund zur größeren Einheit ist. Gerade die streng hierarchischen Strukturen kommen im neuen demokratischen Südafrika am stärksten unter Druck, während die synodale Struktur für viele "schwarze" Lutheraner einen Übertritt in die ehemals weissen Kirchen attraktiv macht.
2) Beziehungen zu anderen Kirchen
Alle Lutheraner rund um die Welt bejahen prinzipiell die Lehre Martin Luthers. Aber in wieweit diese Lehre die Beziehung zu anderen Kirchen beeinflusst, bestimmt die verschiedenen Ausrichtungen der lutherischen Kirchen.
Die meisten Lutheraner sind trotz der Lehrunterschiede bereit mit andern (nicht-lutherischen) Kirchen zusammenzuarbeiten. Der Lutherische Weltbund (LWB) und seine Mitgliedskirchen setzen sich schon lange für ökumenische Zusammenarbeit ein und Verständigungsgespräche mit anderen evangelischen Kirchen (wie zum Beispiel der reformierten, der anglikanischen, der presbyterianischen und der methodistischen Kirche) und auch der katholischen Kirche sind über die Jahre geführt worden. In fast allen Fällen wird jeder Christ zum Abendmahl zugelassen, wobei die Betonung auf dem Verständnis und der Verantwortung des Einzelnen liegt.
Eine kleinere Gruppe von lutherischen Kirchen nimmt hier eine etwas engere Sicht. Sie sind bewusst bekenntnis-treu, was heissen soll, daß keine Verwässerung des lutherischen Bekenntnisses erlaubt wird. Das schließt die Mitarbeit mit anderen nicht-lutherischen, aber auch mit vielen weniger strengen lutherischen Kirchen aus. Diese Kirchen gehören generell dem Internationalen Lutherischen Rat (ILR) an und sind meist Freikirchen. Diese Kirchen erlauben meistens nur den eigenen Gemeindegliedern am Abendmahl teilzunehmen. Weiterhin gibt es auch noch ultra-orthodoxe lutherische Kirchen, die weder dem LWB noch der ILR angehören.
Diese Unterschiede in den Beziehungen der lutherischen Kirchen zu andern Kirchen laufen quer durch die weltweite lutherische Familie. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich das in verschiedenen Ländern auswirkt:
Country |
LWB Mitglieder |
ILR Mitglieder |
Unabhängig |
Südafrika | - |
||
Deutschland |
- |
||
USA |
|||
Kanada |
LCC |
" |
|
Australien |
- |
In Südafrika kam die Spaltung 1891 zustande, als die Hermannsburger Mission wieder Beziehungen zur Hannoverschen Landeskirche aufnahm. Die Hermannsburger Mission hatte sich 1878 von der Landeskirche getrennt, weil sie befürchtete, dass die preussische Regierung eine Union der lutherischen Landeskirche mit der reformierten Kirche erzwingen würde. (Der König hatte eine solche Union in Preussen beschlossen und eingeführt, und da Hannover 1866 preussische Provinz geworden war, waren diese Befürchtungen wohl allemal berechtigt). Die Hannoversche Landeskirche blieb jedoch lutherisch und so konnte 1891 ein Kompromiss geschlossen werden, der es der Hermannsburger Mission erlaubte, wieder im Rahmen der Landeskirche zu arbeiten. Leider waren einige Gemeinden, Pastoren und Missionare in Südafrika von diesem Kompromiss nicht überzeugt und verliessen die Hermannsburger Mission. Sie schlossen sich der hannoverschen lutherischen Freikirche an, die dann, um ihre Missionare in Südafrika zu unterstützen, die Bleckmarer Mission gründete.
Es ist oft versucht worden diesen Bruderzwist in der lutherischen Kirche zu überwinden, aber außer in Australien ist das leider noch nirgendwo geglückt.